Mythen übers Mittelalter: Finster und brutal?

Szene aus dem Mittelalter

Aus heutiger Sicht erscheint das Mittelalter nicht nur aufgrund der mangelnden Elektrizität als düsteres Zeitalter. Hunger, Armut und Folter schienen der Fantasie nach an der Tagesordnung gewesen zu sein. Viele dieser Mythen werden heute allerdings bereits viel differenzierter betrachtet.

Die Erde ist eine Scheibe

Die Bildung im Mittelalter war sicherlich mit dem heutigen Schulsystem nicht zu vergleichen. Trotzdem glaubten die Menschen damals nicht, dass die Erde eine Scheibe sei. Schriftliche Belege aus dem 11. Jahrhundert mit Darstellungen der Erde als Kugel beweisen, das diese Annahme also keineswegs durch die christliche Kirche unterbunden oder von der Bevölkerung verleugnet wurde. Der Großteil der Menschen war aber in der Regel durch die Arbeit in der Landwirtschaft so eingespannt, um die wenige Freizeit noch mit astronomischer Forschung zu verbringen. Jedoch wird durch zahlreiche Gemälde deutlich, dass die Erde immer als Kugel dargestellt wird.

Leben ohne Rechtssystem

Folter und Todesurteile waren durchaus als angemessene Bestrafungen im Mittelalter akzeptiert. Als grausam wurden diese damals ebenso wenig von den Menschen empfunden, wie ein Gefängnisaufenthalt für Verbrecher in heutiger Zeit. Doch auch im Mittelalter existierten schon rechtliche Befugnisse. Beleidigungen und Erbschaftsstreitereien wurden vom Grundherrn entschieden während über Hexerei und Mord die Hohe Gerichtsbarkeit unter Führung des Adels ein Urteil sprach.

Natürlich ist nicht zu leugnen, dass einige Bauern sicher ungerecht behandelt wurden und nicht-adlige Frauen häufig Opfer von Vergewaltigungen wurden. Da das Rechtssystem nämlich hauptsächlich aus Zeugenaussagen bestand, steckten eine moderne Beweisführung und die Unbefangenheit der Gerichte, die wir heute voraussetzen, damals noch in den Kinderschuhen.

Die Lebenserwartung

Nicht alle Menschen sind bereits in jungen Jahren gestorben, wie es die Lebenserwartung von circa 25 bis 30 Jahren im Mittelalter vermuten lässt. Maßgeblich für diese Vermutung sind jedoch die Zahlen der durchschnittlichen Lebenserwartung. Dafür wurde jedoch die Lebensspanne der gesamten Bevölkerung addiert. Da die Säuglingssterblichkeit allerdings sehr viel höher war als die Zahl der Hochbetagten, ist die Angabe des Durchschnittsalters entsprechend niedrig und verzerrt dargestellt.

Tatsache ist, dass zehn Prozent eines Jahrgangs über 60 Jahre alt wurden und es bereits im Mittelalter Hundertjährige gab. Meist starben Säuglinge und das aufgrund mangelnder Hygiene oder unbekannten und nicht behandelbaren Krankheiten. Wer allerdings das Kindesalter überwunden hatte, hatte auch gute Chancen – wenn man nicht durch Folgen einer Geburt, Seuchen, Katastrophen oder Kriege zu Tode kam – durchschnittlich um 40 Jahre alt zu werden.

(Bild: gemeinfrei/Wikipedia)

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