Lemminge begehen kollektiven Selbstmord, indem sie sich ins Meer stürzen

Erstellt von Arie am 26. November 2001 um 11:33 Uhr

Stimmt nicht. Der Mythos ist alt, stammt vermutlich aus Skandinavien. Richtig ist, daß die Populationen der possierlichen Nager aus der Familie der Wühlmäuse großen Schwankungen unterliegen (was seit Entdeckung der Chaostheorie nichts Verwunderliches hat). Ist die Überbevölkerung besonders groß, kommt es zu Wühlmausvölkerwanderungen. Bei diesen Massenmigrationen finden viele Tiere den Tod. Davon, daß die Lemminge dabei freiwillig oder instinktiv aus dem Leben scheiden, kann freilich keine Rede sein. "Aber da war doch dieser Film ...", wird mancher einwenden. In dem Disney-Film "White Wilderness" ("Abenteuer in der weißen Wildnis") wird tatsächlich der angebliche Massensuizid der Lemminge dargestellt. Allerdings haben die Tierfilmer nachgeholfen, um die Legende publikumswirksam ins Bild setzen zu können. Das behauptet jedenfalls der Journalist Brian Vallee, der 1983 für das kanadische Fernsehen dem "Making of" des Films auf den Grund ging. Nach Vallees Darstellung wurden die Szenen im kanadischen Bundesstaat Alberta gedreht, wo es gar keine Lemminge gibt. Die Filmemacher hatten die Tiere von Eskimokindern in Manitoba gekauft und dann zum Drehort geschafft. Um den Eindruck einer Massenwanderung zu erzeugen, wurden die Lemminge auf eine große, schneebedeckte Drehscheibe placiert, die dann in Rotation versetzt und aus allen möglichen Kamerawinkeln gefilmt wurde. Der Strom der Lemminge - nichts als eine "Schleife", bei der immer wieder dieselben Tiere zu sehen sind. Und dann kommt der böse Teil der Geschichte. "Die Lemminge erreichen den tödlichen Abgrund", raunt der Sprecher, "dies ist ihre letzte Chance zur Umkehr. Aber sie laufen weiter, stürzen sich in die Tiefe." Aus einer dank perfekter Tiefenschärfe phantastisch anmutenden Kameraperspektive sieht der Zuschauer die Nager in die gähnende Schlucht eines Flußtales fallen, angeblich getrieben vom Todesinstinkt. Die Wirklichkeit war nach Vallees Recherchen erheblich profaner: Die Disney-Leute halfen nach, schubsten und warfen die wenig lebensmüden Lemminge in den Abgrund. In der Schlußeinstellung sieht man die sterbenden Tiere im Wasser treiben. "Langsam schwinden die Kräfte, die Willenskraft läßt nach, und der Arktische Ozean ist übersät mit den kleinen toten Leibern." Von wegen Arktischer Ozean, von wegen nachlassende Willenskraft: Ein Massenmord an Tieren im Dienste der Illusionsfabrik Hollywood.

Quelle: http://www.zeit.de/stimmts/1997_38_stimmts.html


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Kommentare zu diesem Ammenmärchen (Kommentar schreiben)

  1. Muh hat am 21. Dezember 2002 um 23:34 Uhr geschrieben:
    Manches ist doch wahr im Kern
    Richtig ist, das die Tiere keinen Selbstmord begehen. Das dazu dringend Notwendige Selbstbewusstsein besitzen Sie definitiv nicht - anders wer nicht weiß, dass er lebt, kann sich nicht umbringen.
    Falsch ist, dass diese Tiere nicht in den Tod springen, es ist halt kein Freitod sondern blinde Gefolgsamkeit: Diese Tiere sind extreme Herdentiere, gerade bei den Überbevölkerungssituationen. Wenn das Leittier durch einen Bach watschelt tun das alle auch; in der Masse passieren einige Tiere durchaus ungünstige Teile des Baches und werden erfasst. Sollte das Leittier sich gar irren, oder abrutschen, zB. in eine Schlucht folgt die Herde tatsächlich! Daher dieses Ammenmärchen.

  2. Ba´alzamon hat am 12. Juli 2003 um 22:49 Uhr geschrieben:
    Clevere Geshwister
    ... und dann gibt es noch geziefer. sie sind den lemmingen sehr ähnlich, nur viel schlauer: wenn sie an einen fluss kommen, dann halten sie an, bauen ein boot und setzen über. oder sie kehren um und leben glücklich und zu frieden in ihrem wald. - Terry Pratchett rulez!!!

  3. peter hat am 29. November 2003 um 04:55 Uhr geschrieben:
    Disney-Film über Lemminge
    Wenn das stimmt, dann waren Disney und seine Leute große Quadrat-Arschlöcher!

  4. Steve hat am 04. April 2004 um 13:31 Uhr geschrieben:
    Massenpanik bei lemmingen
    Ich hab' da mal ne ganz andere Erklärung für den Massenselbstmord der Lemminge gehört:
    Die Tiere rennen einfach so dicht hintereinander her, das die vordersten den abgrund sehen und halten - aber die hinteren sehen die Gefahr nicht und drücken von hinten weiter, die vorderen werden also von ihren Nachfolgern unbeabsichtigt in den Tod geschoben.
    Ungefähr das gleiche passiert bei Menschen regelmäßig auf Volksfesten - da ist nur meist kein Abgrund in der Nähe, sondern es kommt nur ein "tierisches" geschubse dabei raus an dessen Ende keiner so schnell vorankommt wie er eigentlich möchte ....
    Ich finde, das ist ne plausible Erklärung - bei der ich auch weiter Disney-Comics lesen kann.

  5. Remo hat am 19. August 2015 um 12:51 Uhr geschrieben:
    Das ist wirklich hochinteressant mit dem Disneyfilm. Und ziemlich gemein, was die mit den Tieren gemacht haben. Und alles nur für eine Filmaufnahme!

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